Roland R. Richter: NOTATE

Reden, Vorträge, Aufsätze, Briefe, 1988–1998
hrsg. am Institut für Kunstpädagogik der Universität Leipzig, 1999

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Vorwort von Prof. Dr. Frank Schulz, Direktor des Instituts für Kunstpädagogik der Universität Leipzig

In diesem Band sind Notate von Roland R. Richter zusammengestellt, die in den letzten zehn Jahren entstanden sind: Niederschriften und Vortragsmanuskripte zu verschiedenen Aspekten der Theorie, Praxis und Lehre der bildenden Kunst, auf gedankliche Reflexion von Kunstpraxis zielende und damit über den eigentlichen Anlaß hinausgehende Reden zu Ausstellungseröffnungen von Künstlerfreunden, Texte zur Eigenart der Kunst und Kunstvermittlung sowie energisch vorgebrachte und doch ausschließlich auf Sachargumenten beruhende Einmischungen in den kunstpädagogischen Diskurs.

Roland R. Richter war mit kurzer Unterbrechung seit 1952 – nach dem Studium zunächst als Assistent, später als Dozent, zuletzt seit 1993 als Leiter der Abteilung Künstlerische Praxis – Angehöriger des Instituts für Kunstpädagogik der Universität Leipzig, des ehe-maligen Fachbereichs Kunsterziehung. Diese Sammlung von Notaren erscheint anläßlich seines 65. Geburtstages.
Unabhängig von seinem äußeren Entstehungsanlaß liegt hier ein Band von eigenständigem Wert vor: Er dürfte genau denen Gewinn bringen, die selbst als Vermittler von Kunst immer wieder Theorie und Praxis in Einklang zu bringen bzw. zu halten haben. Denn hier äußert sich ein Fachkollege, der sein Wirken als Kunstpädagoge stets durch seine künstlerische und kunsttheoretische Tätigkeit zu fundieren und zu erweitern weiß und sich umgekehrt in seinem Wirken als Künstler durchaus in Übereinstimmung mit seiner kunstpädagogischen und kunsttheoretischen Tätigkeit befindet. Und das ist bekanntlich bei weitem keine Selbstverständlichkeit, sondern eine eher seltene Kompetenzbündelung.

Roland R. Richters Notate verstehen sich keinesfalls als Resultat einer interpretationsbedürftigen Künstler-Theorie in untrennbarem Zusammenhang mit dem Konzept seiner eigenen künstlerischen Ausdrucks- und Gestaltungsweise, die sich seit etwa 1986/87 insbesondere an den Möglichkeiten der informellen Kunst im Spannungsfeld von Absicht und Zufall bewegt und auch fotografische und filmische bzw. multimediale Mittel zur künstlerischen Suche und Sicherung von Spuren der Wirklichkeit – ganz im Sinne eines transklassischen, erweiterten Naturstudiums – einschließt.
Vielmehr sind sie das Ergebnis fortgesetzter theoretischer Bemühungen, die die ganz individuellen Kunsterfahrungen übersteigen wiewohl diese als immerwährendes Korrektiv wirken mögen.
Um 1975 nahm Richter seine Studien zu einem der zündendsten Probleme in der Auseinandersetzung gerade mit zeitgenössischer Kunst auf: Studien zur Problematik der künstlerischen Qualität. Während andere Fachkollegen dieser Frage eher aus dem Wege gehen, stellt er sie vor weitgespanntem philosophisch-ästhetischen Hintergrund mit bohrender Logik immer aufs neue. Und er gibt auch Antworten wenngleich keine starren. Er macht offene, wenn auch nicht so ohne weiteres von der Hand zu weisende Angebote auf der Suche nach einem Grundkonsens, um künstlerische Qualität unter den komplizierten Bedingungen heutiger Kunstprozesse nicht als Fremdwort erscheinen zu lassen. In Verbindung damit macht Richter auch keinen Bogen um die Frage nach der Qualität von künstlerischer Lehre, und er entwickelt Vorschläge, nach welchen Kriterien Unterricht als gut bzw. kunstgemäß einzuschätzen ist.

Bleibt zu wünschen, daß vor allem diejenigen von Richters im Verlaufe von Jahrzehnten gereiften Einsichten und Ansichten profitieren, die erst am Beginn des Weges zur Kunstvermittlung stehen ein Weg, der sich allemal als schwierige Gratwanderung erweisen wird und der stetigen Versicherung bedarf.